Martin Schmitz Verlag

Wolfgang Müller - Die allerallerschönsten Interviews

”Aber weil das Buch für alle Freunde der Tödlichen Doris und alle übrigen genialen Dilletanten ein Muß ist, sei jetzt darauf hingewiesen: Die allerschönsten Interviews von Wolfgang Müller. Es handelt sich um Gespräche und Selbstgespräche, echte und fingierte, aus den Kumpelnestern der Avantgarde (Valerie Caris Ruhnke, Herr Wilhelmi, Christiane F. etc.). Das ist F wie fabelhaft, V wie Fernsehen (aus dem kleinen ABC von Carola Regnier), und als zweites dem ersten im selben Buch angefügt ist BAT, eine Meditation über Schallplatten und Fledermäuse.”

Zitty 18/1990, Berlin
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Wolfgang Müller - Hormone des Mannes

”Der Geist der Tödlichen Doris scheint unsterblich, führt unbeirrt und  konsequent die Fäden derer, die ihr einst hörig waren, und sie paradoxerweise selbst ausmachten. Hormone des Mannes versucht das Konzept - alles kann Kunst sein - kann Kunst alles sein - durch das Zusammenbringen verschiedenster Gedankenwelten, Vorgehensweisen und Ausdrucksformen auch literarisch zum Tragen zu bringen. Geglückt würde ich meinen...”

Michael Zolondek im EB Musikmagazin 53 März/April 1995
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Wolfgang Müller - Blue Tit

”Über die etymologische Herkunft der englischen Bezeichnung für Blaumeise (blue tit) stieß Müller schließlich auf Island; tittr' bedeutet im Altisländischen kleiner Vogel'. Mehrfach bereiste der Autor sodann die Vulkaninsel, er interviewte den Staatspräsidenten ebenso wie den schwulen Popstar Páll Óskar Hjálmtysson, und  verarbeitete seine Erkenntnisse in Beiträgen für deutsche Zeitungen und TV-Magazine, aus denen schließlich das vorliegende, reich bebilderte Nachschlagewerk entstand. Die einundreißig, alphabetisch angeordneten Kapitel sind allerdings nur lose miteinander verbunden. Beispielsweise ist tittlingur' im modernen Isländisch nicht nur ein häufiger Wortbestandteil von Vogelnamen, sondern zugleich auch eine Bezeichnung für das männliche Geschlechtsteil. Schon folgt dem Besuchsprotokoll beim Tierpräparator ein Abschnitt über Islands einzigen bekannten Transvestiten. Auch die Darstellungsformen sind nicht einheitlich, sie reichen vom Aufsatz bis hin zum didaktischen Poem. Das abgedruckte Lehrgedicht »Yvonne«, das vom Popsternchen Andreas Dorau auf seiner letzten Schallplatte vertont wurde, ist so mehr als nur eine lyrische Liebeserklärung an eine weibliche Blaumeise (»Immerhin sechs Arten/gibt's bei uns in Hof und Garten/- eine davon wohnt bei mir«), sondern verrät in zehn seperaten Fußnoten umfangreiches ornithologisches Fachwissen. Das macht die Lektüre interessant und  kurzweilig zugleich. Ein eigenes Kapitel bildet Müllers Beschäftigung mit Elfen. Alben, Elben oder Elfen sind mit übernatürlichen Kräften ausgestattete Fabelwesen von kleinem Wuchs, die bevorzugt in Steinen wohnen, und denen Jacob  Grimm eine nähere Göttlichkeit als den Menschen einräumt (Deutsche Mythologie). Über 20% der Isländer glauben an ihre Existenz, und jeder 20. Isländer behauptet sogar, schon einmal einer Elfe begegnet zu sein. Wolfgang Müller machte sich auf die Spurensuche, er befragte den Leiter der weltweit einzigen Elfenschule und die offizielle Elfenbeauftragte des Reykjaviker Bauamtes Erla Stefansdottir, und wurde fündig...BLUE TIT - Das deutsch-isländische  Blaumeisenbuch trägt faustische Züge, es will die Natur nicht umfassend abhandeln, sondern punktuell befragen. Und wer schon immer wissen, was aus dem Meisenknödelerfinder geworden ist, oder was die F.D.P. und die Blaumeise  verbindet, wird in diesem Nachschlagewerk Antworten finden.”

Marc Degens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 19.11.1998 und unter www.satt.org/literatur/98_07_Mueller_1.html
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”Dabei ist Blue Tit Biographie, Reisebuch, Kunstreader, und  Katalogbuch in einem. Selbst abwegige Themen wie präparierte Tierpenisse im Museum und Travestie als gedrucktes Hörspiel verzahnen sich plötzlich zum Alltag, der bei Müller mehr einem wild bepflanzten Gartenbeet ähnelt. So erfährt man, warum es eine Israel-Island-Connection in Sachen Schwulenclubs gibt oder wie man Flechtenmilchsuppe kocht. Nebenbei erklärt Müller, was es mit den legendären Neidschuhen auf sich hat und daß es auf Island gar keine Blaumeisen gibt, die doch für das Buch titelgebend waren. Außerdem gibt es Orchideenwege, Geysirwanderungen und eine Reihe verblüffender Studien zum Thema nordische Esoterik und Elfenglaube. Der Künstler kontert diese bemerkenswerten  Erfahrungen mit eingestreuten Beschreibungen seiner Objekte aus den letzten Jahren.”

Harald Fricke in: die tageszeitung, Berlin, 10.10.1998
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Wolfgang Müller - Hausmusik

Stare zwitschern Ursonate - und stellen damit das Urheberrecht in Frage
Dürfen Vögel singen wie ihnen der Schnabel gewachsen ist? Oder müssen sie um Erlaubnis fragen, bevor sie urheberrechtlich geschützte Werke nachzwitschern? Mit dieser kniffligen Frage beschäftigte man sich unlängst im Hause der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs GmbH zu Berlin. Vor allem aber lauschte man dort  den Gesängen norwegischer Stare, die nach Ansicht der Berliner Konzept-Künstlers Wolfgang Müller die so genannte ”Ursonate” des DADA-Meisters zum Besten geben.
Die  (eigentlich: &Mac226;Sonate in Urlauten') ist ein Lautgedicht mit  Tonfolgen wie zum Beispiel "Rinnzekete bee bee nnz rrk müüüü, ziiuu ennze ziiuu", an dem Schwitters vor allem in den Jahren 1922 und 1923 arbeitete und an dem er bis 1932 immer wieder herumfeilte. Im Mai 1932 schließlich entstand eine von Schwitters selbst aufgenommene Tonfassung, auf der man den Schöpfer knarren, pfeifen, zischen und trillern hören kann.
Müller, der sich schon seit Jahren intensiv mit Singvögeln beschäftigt, konnte es nach eigenen Angaben selbst kaum glauben, als er im Juni 1997 erstmals die Stare von Hjertøya singen hörte. "Zum Glück", so Müller, "hatte ich seinerzeit eine Aufnahmegerät dabei und konnte deshalb als Beleg den Gesang der Stare von der Insel Hjertøya im Moldefjord mitschneiden."
Eigentlich war Müller auf die kleine Insel im Molde-Fjord gereist, um nach den Überresten der Hütte zu suchen, in der Schwitters von 1932 an regelmäßig seine  Sommer verbrachte. Die winzige Behausung, die mal als Stall, mal als 300-jährige Schmiede bezeichnet wird, kann aufgrund der typisch schwitterschen Ausgestaltung mit Collagen, Gipssäulen, Nischen und Schnitzereien als kleinster  bekannter Merz-Bau gelten. Leider hatte sich jahrzehntelang niemand um den Ort gekümmert, so dass Müller mit seiner Kamera vor allem den desolaten Zustand dokumentierte.
Im vergangenen Jahr schließlich konzipierte Müller für die  Berliner Galerie Katze 5 eine Ausstellung namens &Mac226;Hausmusik, Stare auf Hjertøya singen Kurt Schwitters', wo nicht nur die Fotografien von Schwitters' Hütte zu sehen waren, sondern auch besagte Starengesänge auf CD präsentiert  wurden.
Daraufhin erhielt Müller einen Brief von der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs GmbH, die im Namen des DuMont Verlags das Werk von Kurt Schwitters vertritt, worin es hieß: "per Zufall haben wir durch einen Zeitungsartikel von Ihrer CD-Produktion erfahren, auf der Sie &Mac226;...mit dem Geschrei von Vögeln, - so die Angabe - die Ursonate des dadaistisch inspirierten Künstlers Kurt Schwitters intonieren.'" Es folgt die Bitte, dem  Rechteinhaber mitzuteilen, von wem er "die Genehmigung hierzu erhalten habe, damit wir der Sache nachgehen können."
Nun muss man wissen, dass bis heute nicht vollständig enträtselt ist, wie Vögel denn nun eigentlich das Singen lernen. Fest steht allerdings, dass Nachahmung und beständiges Üben eine zentrale Rolle spielen. So konnten Wissenschaftler in Chicago vor wenigen Monaten nachweisen, dass Singvögel ihr Repertoire sozusagen im Schlaf lernen, nämlich indem sie in ihren Träumen immer und immer wieder das üben, was sie tagsüber von sich geben. Auf dem in diesem Zusammenhang kritischen Gebiet der Nachahmung gehören insbesondere Stare zu den begabtesten Vögeln. Erst kürzlich soll ein Däne einen Star in seinem Garten auf den Namen &Mac226;Nokia' getauft haben, weil der Vogel das Klingeln seines Telefons so täuschend echt zu imitieren vermochte.
Was nun Schwitters, seine &Mac226;Ursonate' und die Stare von Hjertøya angeht, so gibt es mehrere Augenzeugenberichte, die Schwitters' Begeisterung fürs Rezitieren auch jenseits der Bühne dokumentieren. So kolportiert der mit Schwitters befreundete DaDa-Künstler Hans Arp: "In der Krone einer alten Kiefer am Strande von Wyck auf Föhr hörte ich Schwitters jeden Morgen seine Lautsonate üben. Er zischte, sauste, zirpte, flötete, gurrte, buchstabierte." Es wäre also durchaus möglich, dass Schwitters auch auf der spärlich besiedelten Insel Hjertøya lautstark rezitiert - und damit die Stare beeindruckt hat.
In seinem Antwortschreiben an den Kiepenheuer Bühnenverlag beteuert Müller, er habe niemals den Plan gehegt, die Ursonate mit dem  &Mac226;Geschrei von Vögeln' zu intonieren, da er "so etwas auch für ausgesprochen peinlich hielte." Außerdem habe er von der GEMA eine Sondergenehmigung erhalten, die CD-Produktion als "Naturgeräusche" anzumelden, da es sich um Vogelstimmenaufnahmen und nicht um eine Komposition von ihm handele.
Auseinandersetzungen der absonderlichen Art sind nichts Neues für den Berliner Konzept-Künstler Wolfgang Müller. 1994 zum Beispiel wurde ihm von der tageszeitung unterstellt, italienische Feinkosthändler mit Blaumeisen zu beliefern. Die Presse stürzte sich auf Müller, der in einer Schlagzeile gar als &Mac226;Der Meisen-Schlächter von Kreuzberg' diffamiert wurde. Zu Unrecht - denn  Wolfgang Müller würde nicht mal im Traum einfallen, das putzige Federvieh, das vor seinem Küchenfenster nistet, ans Messer zu liefern. Schließlich ist er ein erklärter Freund der Blaumeise und hat sogar ein Buch geschrieben über den possierlichen Singvogel, das 1998 erschienen ist (BLUE TIT - das deutsch-isländische Blaumeisenbuch).
Jedenfalls war Wolfgang Müller sehr gespannt auf die Antwort aus dem Hause Kiepenheuer. In seinem Brief vermerkte er:
”Wenn Sie Pläne fassen, das Urheber- und Aufführungsrecht für Kunstwerke musikalischer und darstellender Art auch auf Tiere selbst, in diesem Fall imitationsbegabte Vögel auszuweiten, würde mich das persönlich sehr interessieren.”
Er gab allerdings zu bedenken, dass es schwer fallen dürfte, auch die Stare von Hjertøya zur Kooperation zu überreden. Außerdem könnte es ”durchaus sein, dass in der Zukunft noch mehr imitationsbegabte Vogelarten urheberrechtlich geschützte Werke von Kurt Schwitters und anderen imitieren und interpretieren, ohne zuvor eine Genehmigung bei der Kiepenheuer Bühnenvertriebs GmbH einzuholen”.
Tatsächlich können Tiere - im Gegensatz zum Menschen - keine Urheberrechte verletzen, weil für einen solchen Akt bewusstes Handeln vorausgesetzt werden muss. Dennoch ist man sich beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München nicht so ganz sicher, ob Müllers Starenaufnahme nicht doch eine Verletzung des Urheberrechts darstellt. Allerdings müsse man dazu, so Urheberrechtsexperte Paul Katzenberger, die folgende Kausalität  akzeptieren: Die Stare haben Schwitters die &Mac226;Ursonate' abgelauscht und sie dann über Generationen hinweg von Star zu Star weitergegeben. Die Müllersche Aufnahme wäre dann eine Einspielung der &Mac226;Ursonate' über den Umweg der Stare und  könnte damit durchaus eine Verletzung des Urheberrechts darstellen. Anders würde es dagegen aussehen, wenn Schwitters bei der Komposition der &Mac226;Ursonate' seinerseits Elemente von Staren- und anderem Vogelgesang verwendet hätte, worauf es übrigens starke Hinweise gibt - man denke nur an Schwitters' Lautgedicht &Mac226;Obervogelgesang'.
Inzwischen hat man sich im Hause Kiepenheuer aus der Affäre gezogen, indem man sich die Müllersche Sicht der Dinge zu eigen  gemacht hat und davon ausgeht, dass es sich bei den Starengesängen um in der Natur vorgefundenes Material handelt. Im Klartext heißt das: Stare und andere stimmbegabte Tiere dürfen Schwitters nach Herzenslust intonieren, und wer will, darf davon Aufnahmen anfertigen und unters Volk bringen. Was aber, wenn jemand seinem Papagei die &Mac226;Ursonate' beibringt? So lange keine Grundsatzentscheidung zum Thema &Mac226;Tiere und Urheberrecht' vorliegt, würde Paul Katzenberger aus urheberrechtlicher Sicht davor abraten. Sie könnten sich unbeabsichtigt schuldig machen.

Katja Schmid  in Telepolis - Magazin der Netzkultur, 22.6.2001
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7934/1.html
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Schwitters-Stare-Singen
Wolfgang Müller bringt die ”Ursonate” zum Zwitschern

Stare sind die Papageien des Nordens. Jedenfalls was ihre Fähigkeit angeht, Geräusche nachzuahmen. Darin sind sie genauso gut wie die exotischen Nachplapperer aus der südlichen  Hemisphäre. Sie können das Pfeifen von Dampfloks imitieren, so heißt es, oder das Bellen von Hunden. Auch Hühner-Gackern soll ihnen keine Probleme bereiten.
Was das mit Kunst zu tun hat? Diese Frage kann nur jemand wie Wolfgang Müller beantworten. Der Berliner Cross-Genre-Künstler, einst Mitgründer der 80er-Subversiv-Band Die Tödliche Doris, Hörspielautor, Mittvierziger und selbst ernannter Kulturpolitiker, hat seit langem eine besondere Vorliebe  für die Stimmen von Feld, Wald und Wiese. In seinem Deutsch-isländischen Blaumeisenbuch, vor zwei Jahren erschienen als eine Art Lexikon zur isländischen Alltagskultur, geht es nicht nur um Ornithologie, sondern um vielerlei  lautliche Phänomene auf der Insel der Geysire. Wo Elfen singen und Äolsharfen durch die karge Landschaft klingen, fühlt sich der Musiker Müller zu Hause.
Nun also Stare. In der Galerie ”Katze 5” in Berlin-Kreuzberg hat Müller  eine BildTonInstallation aufgebaut, die an Seltsamkeit kaum zu übertreffen ist. 20 Minuten, 40 Sekunden lang läuft eine CD mit dem Geschrei von Vögeln, die - so die Angabe - die Ursonate des dadaistisch inspirierten  Künstlers Kurt Schwitters intonieren. An den Wänden des Ausstellungsraums hängen großformatige Aufnahmen, die Müller im ehemaligen Sommerhaus von Schwitters auf der norwegischen Insel Hjertøya gemacht hat. Der Kommentar: ”Ich  machte einige Fotos von den Säulen, Collagen und Objekten und legte mich anschließend in das frische Gras neben der Hütte. Da hörte ich auf einmal einen Star sonderbare Laute von sich geben. Irgendwie kam mir das bekannt vor, was  er da von sich gab. Ja, mit einem Mal erkannte ich, dass der Vogel Passagen der Ursonate rezitierte, die ein unbekannter und entfernter Vorfahr vor vielen Jahren Schwitters abgelauscht hatte und die über Generationen weiter  vermittelt wurden. Glücklicherweise hatte ich mein Aufnahmegerät dabei.” Dass wirklich Elemente der sagenumwobenen Ursonate aus dem Vogel-Geschrei zu erkennen sein sollen, ist eben so wenig nachweis- wie widerlegbar. Müllers Texterläuterungen, hier in fast schon romantisch-naturlyrischer Verpackung, sind stets ein Teil des Kunst-Stücks. Der zunächst total durchgeknallt wirkende Einfall, die Vögel als Tonträger des Schwitterschen Opus zu  betrachten, bringt in Verbindung mit den Fotos von Schwitters Ferienhütte und den Schilderungen von dessen Entdeckung jedoch ein literarisch-audiovisuelles Gesamtkunstwerk zustande, an dem auch Kurt Schwitters selbst seine Freude gehabt hätte.
Der Erfinder der ”Merz”-Kunst, dessen Werk derzeit im Sprengel Museum seiner Geburtsstadt Hannover erstmals in einer großen Retrospektive gezeigt wird, hatte nach seiner Emigration nach Norwegen in den 30er-Jahren die Inselhütte nach seinen ästhetischen Prinzipien ausgestattet: Mit Plakaten, Zetteln, Zeichnungen, Briefumschlägen, von denen noch Reste an den Wänden des winzigen Häuschens kleben.
Ein ähnlicher Sammler und Collagist von Realität ist auch Wolfgang Müller. Mit seiner Band Die Tödliche Doris, die gleichzeitig eine Kunst- und Performance-Gruppe war, machte er nicht nur New-Wave-Punk-Musik und bestickte Sofakissen, sondern sampelte etwa auch eine ”unsichtbare LP” oder baute schlichte Pappkarton-Stände auf der documenta in Kassel auf. In einer kommentierten Collage von in Passbild-Automaten liegen gelassenen Fotos fand das Puzzle-Prinzip des Wolfgang Müller  bislang seinen dichtesten Ausdruck.
Vor zwei Jahren wurde der in Berlin und Island lebende Müller über den Kunst-Betrieb hinaus bekannt. Als damals das Goethe-Institut in der isländischen Hauptstadt Reykjavik im Rahmen von  Einsparungsmaßnahmen geschlossen wurde, trat der Island-Experte auf und eröffnete das Institut als Privatinitiative einfach neu. Nach Ablauf der Sperrfrist war es ihm sogar gelungen, die alte Telefonnummer des Kulturbüros zu  übernehmen. Die Polit-Kunst-Aktion kam in deutschen Medien so gut an, dass häufig darüber berichtet wurde - so lange bis das Goethe-Institut, um Image-Schaden fürchtend, zumindest wieder eine abgespeckte Dependance in Reykjavik  einrichtete.
Aus den Inseln des Nordens, sei es Island, sei es Kurt Schwitters' Hjertøya, zieht Wolfgang Müller seine Inspiration. Vor einem Jahr wurde im Bayerischen Rundfunk eine Reihe von Hörspielen gesendet, die Titel trugen  wie Das Echo ist der Zwerge Sprache, Elfen sprechen nicht - sie singen oder Spekulationen um das Mäusefloß. Mit der Hausmusik hat er jetzt so etwas geschaffen wie die Wiedergeburt des Dadaismus aus dem Geiste  der Staren-Musik.

Dirk Fuhrig in: Frankfurter Rundschau vom 4.9.2000
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Wolfgang Müller - Ich habe sie geseh´n...

”Sie sind klein, können sehr laut singen und verstecken sich meistens. Jedenfalls in Berlin. Auf Island kann man  die Elfen dagegen häufig beobachten. In Reykjavik bevölkern sie ganze Stadtteile - sausen durch Heizungskeller und treiben Schabernack auf Baustellen. Es gibt Elfenstadtpläne und eine Elfenbeauftragte. Auch Zwerge, Elfen und Trolle leben auf der Insel mit den heißen Quellen. Wolfgang Müller hat sie gesehen. Der Autor, Musiker und Direktor des privaten Goethe-Instituts in Reykjavik kennt die zarten Wesen wie kein zweiter Berliner. Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte Müller im deutsch-isländischen Blaumeisenbuch Blue Tit. Dann hörte man länger nichts mehr von ihm. Doch jetzt erscheint in Zusammenarbeit mit Sir Henry eine Ode auf die Elfen und Isländer.”

Britta Geithe im tip, 24/2000, Berlin,
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Wolfgang Müller - Islandhörspiele

”Zuletzt erschien von ihm die Doppel-CD ”Islandhörspiele”, deren gelegentlich in die Handlung eingestreuten Lieder belegen, dass das Beste aus der Neuen Welle in ihm fortlebt.”

Reinhard Krause, taz Magazin 6829 vom 17.8.2002
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Immer noch böse?
Wolfgang Müllers Islandbegeisterung in Schrift und Ton

"Annette Humpe, in den 80er Jahren Sängerin und Keyboarderin der "Neonbabies" und "Ideal", sagte in dem vor drei Jahren erschienenen, vielgelobten Doku-Roman "Verschwende Deine Jugend" über die Bandmitglieder von "Die tödliche Doris", die "trauten sich, wirklich böse zu sein." Einer dieser Bösen war damals der bildende Künstler Wolfgang Müller, der inzwischen auch als Schriftsteller reüssierte. 1997 erschien sein wundervolles deutsch-isländisches Blaumeisenbuch "Blue tit", dessen Entstehung sich wiederum einer äußerst boshaften Unterstellung verdankt. Ein Artikel der "tageszeitung" berichtete, der Künstler Wolfgang Müller züchte Blaumeisen vor dem Fenster seiner Wohnung in Kreuzberg und verkaufe sie an italienische Feinkostgeschäfte. Auf Anzeigen folgen Dementi, auf eine Einladung als "Opfer der Medien" in die Sendung von Jürgen Fliege folgt eine von Nan Goldin angeregte Recherche nach der Etymologie der englischen Bezeichnung für Blaumeise, die scheinbar vulgär "blue tit" heißt. Die Spur führt ihn nach Island, wo der 1957 in Wolfsburg geborene Müller schließlich das Material für sein deutsch-isländisches Blaumeisenbuch zusammenstellt.
Das reich bebilderte "Blue tit" führt ein herrlich skurriles Sammelsurium an Geschichten über islandspezifische Themen auf, die in einer seltsamen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Ironie aufbereitet werden. Es geht äußerst kenntnisreich um Elfenkarten, die Entfernung des Buchstaben Z aus dem isländischen Alphabet, den schwulen Popstar Páll Óskar Hjálmtysson, Fehler auf dem Falk-Plan, Islands einzig bekannten Transvestiten, Meisenknödel, Orchideen, den Riesenalk, die Eiderente, eine Liebeserklärung an eine weibliche Blaumeise namens Yvonne vom häufig unterschätzten Andreas Dorau und noch vieles mehr. Das Ganze wird des öfteren in Kunstwerken und Erzählungen des fiktiven Úlfur Hródólfsson präsentiert, der z. B. auch als Autor des Hörspiels "Das Thrymlied - Island Noten" verantwortlich zeichnet, eine mythische Travestie um Thor, Thrym, Loki und weitere Gottheiten. Zu hören ist sie schließlich auf einer Doppel-CD, die 2002 im Martin Schmitz Verlag, der sich auch sonst bewundernswert um das Werk der "Tödlichen Doris" kümmert, publiziert wurde.
Die Hörspiele wurden von Müller gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk inszeniert, der durch seine verdienstvolle Reihe der "intermedium records" die so genannte "audio art" ja seit Jahren auch einem Publikum fern des Radios zugänglich macht. Die "Islandhörspiele" versammeln wiederum Geschichten aus "Blue tit" und setzen sie in absurden und vergnüglichen Szenerien akustisch um. Dabei werden einige Fußnoten des Buches um ganze Hörspielsequenzen erweitert. So erfährt der Hörer endlich, was mit dem Geologen Walther von Knebel geschah, der 1907 mit dem Maler Max Rudloff bei Forschungsarbeiten im Öskjuvatn, dem tiefsten See Islands, spurlos verschwand. Das Hörspiel liefert dafür gleich drei Thesen, eine schöner oder schrecklicher als die andere. So findet sich vieles, was im Buch eher nebensächlich war, im Hörspiel als weitergesponnene Inszenierung wieder. Seien es die Gespräche mit der Elfenbeauftragten des Baustadtamtes Reykjavík, die Frage nach der isländischen Eisenbahn oder der Nachtigallengesang aus Berlin im privaten Goethe-Institut der isländischen Hauptstadt. Letzteres hatte Müller übrigens 1998 gegründet, als das hiesige staatliche Goethe-Institut seine Pforten schloss. Die wegen drohender rechtlicher Konsequenzen nach Walther von Goethe benannte "Foundation" bietet neben Elfen- und Zwergenkunde auch Musikunterricht an. Klingt alles verrückt? Na und, wenn dabei Kunst herauskommt! Und allzu böse ist das auch nicht mehr."

Alexander Müller
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=6694&ausgabe=200401
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Wenn Thor zur Tunte wird

"Der Kuhfladen gehört zweifelsohne zu den Produkten des Tieres, die eher geringe Beachtung finden. Er stinkt, setzt sich in Schuhsohlen fest und zieht Fliegen an. Die isländische Maus erhebt Einspruch. Sie liebt den Kuhfladen, denn mit ihm kann man problemlos übers Wasser fahren, ohne nasse Füße zu bekommen. Dies behauptet jedenfalls Friedrich Thienemann, Leipziger Naturforscher, im Gespräch mit Jules Verne auf Wolfgang Müllers aktueller CD "Islandhörspiele". Die sogenannte "Mus islandicus" soll demnach tatsächlich dem stinkenden Dung einen Sinn gestiftet haben, indem sie ihn als Wasserfahrzeug gebrauchte. Jedoch: Niemand hat sie bisher auf frischer Tat ertappt.
Zusammen reisen Thienemann und Verne mit der Elfenbahn durch Island und diskutieren die Kuriositäten und Legenden Islands. Das Verschwinden des Malers Max Rudloff in einem Kratersee, das Nordlichtgeräusch oder die Abschaffung des Buchstabens Z durch das isländische Parlament. Thienemann freilich im besten sächsisch, Jule Verne mit französischem Dialekt. Brüllend komisch.
Der fiktive Reporter Alfarinn reist ebenfalls. Zum zeitweise einzigen Transvestiten Islands oder zur Elfenbeauftragten des Baustadtamtes Reykjavik. Dort erfährt er, dass sogar Straßen für Elfen umgeleitet werden. Sonst droht Gefahr beim Bau. Das jedoch ist keine Erfindung Müllers, sondern entspricht den Tatsachen.
Eingerahmt werden diese vier Hörspiele zum einen von einer Neubearbeitung des Thrymlieds, das heißt Müller verschiebt die Handlung in die Moderne. Ein Riese stiehlt Thors Hammer, dieser will ihn erst wieder herausrücken, wenn er Freyia, die Göttin der Liebe heiraten darf. Thor ziert sich erst, sich als ihm vorgeschlagen wird sich als Freyja zu verkleiden, stimmt dann aber zu. Kaum hat er den Hammer bei der Hochzeit zurückgehol, schlägt er die komplette Hochzeitsgesellschaft zu Mus. Am Ende steht eine Aufnahme von Vogelgezwitscher in Reykjavik, immerhin fast 18 Minuten lang. Zwar ist der Einfall nicht besonders originell, aber der Hörer fühlt sich durch das Zusammenspiel von Vogelgesang und Autoverkehr rasch selbst in die Hauptstadt Islands versetzt. Das einzige jedoch, was den überaus positiven Eindruck einer bisweilen bizarr anmutenden CD stört, ist der sehr eigenwillige Gesang, der immer wieder die Hörspiele unterbricht. Doch: Spätestens nach der Kuhfladengeschichte ist diese kleine Schwäche verziehen.
Just - Das junge Magazin meint: Wolfgang Müller schafft ein Hörspiel fernab der Konventionen. Witzig, unterhaltsam, informativ, schräg. Eine Liebeserklärung an "seine" Insel."

Sebastian Dalkowski in Just - Das junge Magazin
http://www.hoene-webmedia.de/just/042003cd03.cfm
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